Wiederentdeckung und Instandsetzung der Präzisionspendeluhr Riefler Nr. 711

Ende Juli 2000 gab es erstaunte Gesichter bei den Mitarbeitern von Juwelier Willenberg in Mainz, als die Uhrmacher voller Stolz einen wahren Schatzfund präsentierten. Es handelte sich um eine Präzisionspendeluhr von Clemens Riefler, Nesselwang 1947. Die Riefler-Uhren nehmen in der Geschichte der Präzisionszeitmessung eine Sonderstellung ein: Rieflers Konstruktionen gelten als der Höhepunkt des mechanisch machbaren in Sachen Ganggenauingkeit. Erst die neue Ära der Quarzzeitmessung setzte den Pendeluhren Rieflers im Jahre 1965 ein Ende.

Rieflers Uhren erzielten ihre Langzeitpräzision insbesondere durch die Verwendung eigens hergestellter Nickelstahlpendel feinster Ausfertigung, sowie durch die "freie Schwerkrafthemmung mit doppeltem Hemmrad und zwei Antriebshebeln", kurz Riefler-Hemmung genannt (Abbildung 1).

Beschreibung der Riefler-Hemmung, Frankfurter Uhrmachschule

Diese Merkmale finden sich selbstverständlich auch bei der Riefler 711, die der verstorbene Richard A. Willenberg bei der Neuinstallation einer Zeitzentrale Mitte der Fünfziger-Jahre in Zahlung nahm. Diese Uhr war dann über lange Jahre das Zeitnormal für die Reglage in der Uhrmacherwerkstatt und schaltete als Mutteruhr die Zeitanzeigen vor der Ladenfassade. Doch die Riefler 711 war für den langjährigen Firmeninhaber stets mehr als nur ein Arbeitstier. Die Anschaffung einer solchen Uhr in der entbehrungsvollen Nachkriegszeit war für den Uhrmachermeister (Glashütter Uhrmacherschule, Jahrgang 1934) eine Verbeugung vor der perfekten Konstruktion und Ausführung der Riefler-Uhren.

Das Schicksal der Riefler 711 ist beispielhaft für den Untergang der Gattung der Präzisionspendeluhren. 1947 gebaut und an einen Mainzer Fabrikanten ausgeliefert, soll sie als Mutteruhr für die Fabrik und sein Privathaus gedient haben, da war nur das damals Beste gut genug. Mitte der Fünfziger-Jahre wurde die Anlage modernisiert, die Riefler 711 mußte weichen und wurde in Zahlung gegeben. Sie zog um in die Schillerstraße 24a, Uhrmacherwerkstatt.

Damals war dieser Ort nicht irgendeine Werkstatt, Richard A. Willenberg hatte ihn zu einem Sammelpunkt für Glashütter Uhrmachermeister gemacht, die von dort aus die Tradition der deutschen Qualitätsuhrmacherei aufrechterhielten. Zwei der berühmtesten Mitarbeiter Willenbergs waren seine Schulkameraden, die beiden letzten Tourbillon-Erbauer der Glashütter Uhrmacherschule Karl Geitz (ab 1936 selbst Fachlehrer an der Glashütter Uhrmacherschule, nach dem Kriege Flucht vor der sowjetischen Besatzung zu seinem Schulfreund nach Mainz, 1951 Gründer der Uhrmacherschule Frankfurt/Main) und Heinz Eberhardt von dem sich in der Firma Willenberg noch ein Gangmodell einer Chronometerhemmung (Deutsche Uhrmacherschule Glashütte 1938) und eine Schultaschenuhr mit Ankerhemmung Nr. 3844 erhalten, welche 1935 im fünften Taschenuhren-Wettbewerb der Deutschen Seewarte den ersten Preis und RM 100,- erhielt (Regleur war der berühmte A. Helwig). Eberhardt arbeitete auch bei Junghans in Schramberg, bei Huber in München ( der Juwelier mit einer Riefler-Uhr in der Ladenfassade ! ), sowie in Glashütte bei Strasser und Rohde ( ! ), der größten Konkurrenz Rieflers in Sachen Präzisionspendeluhren. In die Zeit Eberhardts fiel auch der Erwerb der Riefler 711. Er war damals als Werkstattleiter und Geschäftsführer für Willenberg tätig und verließ die Firma erst 1958, um sich selbständig zu machen. In diesen günstigen Bedingungen fand die Riefler eine neue Bleibe, in der ihr genau jene Wertschätzung und Aufmerksamkeit zuteil wurde, die eine Uhr ihrer Klasse zu Höchstleistungen beflügelt. So lief die Riefler über Jahre hinweg als Konstante einer Werkstatt, die Generationen von Uhrmachern hervorbrachte.

Das Aufkommen der Quarzuhren wurde zum tiefen Einschnitt in der Uhrenbranche, der auch bei der Firma Willenberg seine Spuren hinterließ. Die Werkstatt brauchte in der Quarzkrise immer weniger Uhrmacher. Als Richard A. Willenberg in den achtziger Jahren starb, hatte die Riefler schon viele Jahre nicht mehr getickt. Niemand beachtete mehr das alte Ding an der Werkstattwand, niemand hatte mehr das Wissen, die Uhr in Gang zu setzen. Der Werkstattraum wurde schließlich aufgeteilt: Büro, Poststelle und ein kleiner Servicebereich für Batterie- und Bänderwechsel. Im neuen Büro störte der große, tote Holzkasten an der Wand und so wurde die Riefler abgenommen, die Mauerplatte abgeschraubt und die Mauerbolzen abgeflext ! Oh schöne, kahle Wand, die solche Herrlichkeiten trug.

In den frühen neunziger Jahren kam dann das Umdenken. Der Trend zur mechanischen Uhr zeigte sich über die Saison hinaus stabil und wer hochwertige Mechanik verkaufen will, benötigt einen Uhrmacher zur Kundenaufklärung und für die Versorgung der kleinen Wehwehchen der täglichen Begleiter. Dies erkannte auch Edith Willenberg-Sebastian, die mit enormer Energie die Entwicklung des Sortiments von der typischen Omega/Junghans/Dugena-Ausstattung zu einem differenzierten Angebot aus feinsten Manufakturprodukten, ausgefallenen Nischenmarken, komplizierten Kunstwerken und soliden Alltagsuhren betrieb. So wurde der Uhrmachermeister Stefan Schramm eingestellt, der schon bald im einfach gedachten Servicebereich eine Reparaturwerkstatt etablierte, die so gut ausgelastet war, das es Zeit für einen zweiten Uhrmacher wurde. Da der Uhrmacherberuf vom Aussterben bedroht ist, entschloß sich Herr Schramm kurzerhand selbst einen Uhrmacher auszubilden.

Das war dann mein Einstieg in die Firma Willenberg. Die uhrmacherischen Wurzeln der Firma erschlossen sich mir erst nach und nach. Schon im ersten Lehrjahr entdeckte ich auf einem Kellerregal einen Karton mit der Aufschrift "Riefler-Uhr". Ich hielt den Kartoninhalt für altes Prospektmaterial, welches in diesem Moment nicht wert war, einen Weg durch das im Keller gelagerte Karton- und Dekorationsmaterial zu bahnen, behielt die Sache aber für einen anderen Zeitpunkt im Hinterkopf. Riefler, der Name war mir bekannt, da ich schon Jahre zuvor das "Riefler Präzsionpendeluhren"-Buch von Dieter R. gekauft hatte und in der Uhrmacherschule ( Karl-Geitz-Schule !! ) die Riefler-Konstruktionen als Maßstab für höchste Güte und ausgefallene technische Lösungen in Unterrichtseinheiten wie Pendel, Großuhrhemmungen und Uhrenantriebe vorgestellt wurden. Aber das war alles Theorie, diese Uhren tatsächlich zu sehen hätte es einer Reise nach München ins Deutsche Museum und zu Uhren-Huber bedurft. Lange Zeit danach, man schrieb inzwischen das Jahr 2000, hatte ich endlich die Gelegenheit den Karton aus dem Regal zu holen. Als ich ihn geöffnet und einige Styropor-Chips beiseite geschaufelt hatte, erblickte ich das schöne Antlitz eines Riefler-Zifferblattes. Ein Riefler-Zifferblatt, das Zifferblatt einer der legendären Riefler-Uhren ! Clemens Riefler Nr.711, Nesselwang 1947. Makelloses Blatt, blau angelassene Stahlzeiger, zentraler Minutenzeiger voller Grazie, fragiler Sekundenzeiger und der kurze, um so üppiger gerundete 24-Stunden-Zeiger. Obwohl Uhrmacher sonst mehr auf die inneren Werte achten, hatten mich diese Äußerlichkeiten schon ganz für sich eingenommen. Als sich der erste Taumel gelegt hatte, wagte ich es das Zifferblatt vorsichtig anzuheben. Da war ja noch mehr: ein Werk !!! Ein Riefler-Uhrwerk mit den Achatplatten zur Pendellagerung, die Antriebshebel und das Hemmrad. Die Hemmung ist viel kleiner, als ich sie mir vorgestellt hatte, aber wunderschön !


Der noch unberührte Schatzfund

Was nun kam, war klar: Rettung der Riefler 711. Dazu fing ich an, mit fanatischer Begeisterung von den Vorzügen dieser Uhr zu schwärmen, je nach Empfängerhorizont mit dem Akzent auf der historischen oder der pekuniären Bedeutung eines solchen Objektes. Schon bald waren die Mitarbeiter bis an ihre Schmerzgrenze über die Uhr aufgeklärt und die wichtigen Leute, Herr Schramm und Frau Sebastian, von der Notwendigkeit zur Erhaltung der Uhr überzeugt.
Als erster Schritt wurde die Firma umgekrempelt, um sämtliche Fragmente der Uhr zu bergen und alle Informationen über ihre Geschichte zusammenzutragen.
Es fanden sich folgende Teile: - Uhrwerk Typ A3 mit Zifferblatt, Zeigern und Kontakteinrichtung zum Betrieb von Nebenuhren
- Invarpendel Typ J mit Auflageteller zur Korrektur des Uhrstandes einer Uhrenanlage
- Uhrenkasten aus Eichenholz mit Armaturen und den Armen mit den Auflagegewichten für das Pendel
- Originale Reguliergewichte-Schachtel der Firma Riefler für den Auflageteller des Pendels
- Nebenuhr Typ F neue Ausführung mit Werk unter Plexi-Sichtverglasung mit Wandmontage an zwei Messingketten, das elektrische Anschlußkabel in eine der Ketten eingeflochten, Signatur "Clemens Riefler, Nesselwang"
- Nebenuhrzifferblatt für eine weitere Nebenuhr Typ F, jedoch aus anderem Zusammenhang mit der Signatur "Clemens Riefler, München"
- "Anleitung für die Aufstellung der astronomischen Uhren 'System Riefler' mit staubdichten Holzgehäuse" im Anhang vergleichende Aufzeichnungen über das Verhalten des Riefler-Pendels und eines Pendels der Firma Wagner, Wiesbaden
- Photos der Werkstatt mit der Riefler-Uhr aus verschiedenen Jahren

Werkstatt Juwelier Willenberg Die Werkstatt von Juwelier Willenberg in Mainz aus vergangenen Tagen. Im Hintergrund ist die Riefler-Uhr zu erkennen

So weit, so gut. Die Frage war jetzt, wie ein solcher Fund würdig erhalten werden sollte. Eines war allen klar: Nr. 711 sollte wieder gehen ! Aber auf welche Weise ? Die Meinungen gingen auseinander. Eine Idee war, die Uhr in ein funkelndes Schmuckstück zu verwandeln, neue Zierschliffe, glänzend vergoldete Oberflächen, Entfernung aller Altersspuren. Dieser Ansatz entspringt einem sehr uhrmacherischen Denken, welches Perfektion und Ästhetik anstrebt. Im Kontrast dazu bestand die Ansicht, die so schön überlieferte Originalsubstanz soweit wie möglich zu erhalten. Dazu gehören auch die Bearbeitungsspuren des Herstellers und Altersspuren, die die Geschichte der Uhr dokumentieren, nicht erwünscht sind jedoch Verschmutzungen, Fingerabdrücke (Rostgefahr !) und Korrosion. Jeder Eingriff soll reversibel und dokumentierbar sein, um zu gewährleisten, daß zwischen Originalteilen und späteren Ergänzungen unterschieden werden kann und um Ergänzungen wieder beseitigen zu können, wenn sich beispielsweise in der Zukunft eine geeignetere Lösungsmöglichkeit bietet, wie etwa ein Originalersatzteil oder ein verbessertes Mittel der Oberflächenkonservierung. Dieser Ansatz ist ein konservierend restauratorischer, welcher eine völlig andere Arbeitsweise erfordert, als man das als Uhrmacher gewohnt ist.


Zur besseren Entscheidungsfindung sanden einige Beratungen mit Fachleuten an, die ich telephonisch erledigte. Zunächst rief ich Herrn Riefler an, den Autor des Fachbuchs zu den Riefler Uhren. Das Ergebnis war ernüchternd, da er lediglich auf die Beschreibungen in seinem Buch verwies und ansonsten einen leicht gereizten Eindruck machte, was man ihm verzeihen mag, da Uhrenfreunde doch recht penetrant werden können, wenn es um ihr „Thema" geht. Leider endete auch ein späteres Anschreiben an Herrn Riefler im Nichts.

Es mußten also andere Experten zum Thema Riefler / Präzisionspendeluhr gefunden werden. Da bot sich beispielsweise Hans Dietrich an, der in der Fachzeitschrift „Klassik-Uhren" 3/98 einen Restaurierungsbericht zu einer Riefler-Uhr veröffentlicht hatte. Im Hinblick auf die Reaktion Herrn R. und die Kosten von Auslandstelephonaten in die Schweiz nahm ich von dieser Möglichkeit wieder Abstand. So gingen meine Überlegungen in Richtung professioneller Museumsrestauratoren.

Mit der Frankfurter Uhrmacherschule hatte ich eine Studienfahrt nach Glashütte und Dresden gemacht. In Dresden besichtigten wir den Mathematisch-Physikalischen Salon mit seiner beeindruckenden Uhrensammlung, in der sich auch mehrere Uhren mit Schwerkrafthemmung befinden. Der anschließende Besuch in den erstklassig ausgestatteten Restaurierungswerkstätten des Salons gaben mir damals einen völlig neuen Eindruck vom Arbeiten mit Uhren. Ich rief also im Mathematisch-Physikalischen Salon an und erfuhr, daß der dortige Spezialist für Präzisionspendeluhren, Herr Eulitz, nicht anwesend war, da er sich Zuhause auf seine Meisterprüfung vorbereitete. Nach kurzem Hin-und-Her hatte ich die Erlaubnis, Herrn Eulitz privat zu behelligen. Er reagierte äußerst freundlich auf mein telephonisches Attentat und ließ sich in Sachen „Wiederentdeckung einer Riefler-Uhr" bereitwillig von seiner Prüfungsvorbereitung ablenken. Mangels Riefler-Uhr in der Sammlung konnte er mir keine Hinweise auf konstruktive Eigenheiten der Riefler-Uhren geben, wohl aber eine fundierte Anleitung zum Thema Restaurierung und Schwerkrafthemmungen, sowie Vorschläge über die Anfertigung der Objektdokumentation / Restaurierungsbericht. Sein Vorschlag war, vor jedem Arbeitsschritt noch einmal nachzudenken und auch verschiedene Meinungen einzuholen, um verschiedene Sichtweisen zu einem Problem abwägen zu können.

Ich entschloß mich also auch beim Deutschen Museum München anzurufen, da mir aus dem Riefler-Buch bekannt war, daß sich dort mehrere Riefler-Uhren in der Sammlung befinden. Der dortige Spezialist ist Herr Ellinger, der mich zu unserem Fund beglückwünschte, man hätte im Deutschen Museum in den Sammlungen Uhren und Astronomie insgesamt fünf Riefler-Uhren mit allen Systemen, bis auf das der Schwerkrafthemmung. Genaugenommen hätten wir ja auch zwei Riefler-Uhren, denn die Nebenuhr sei ja auch eine Riefler, eine Riefler Typ F eben. Herr Ellinger erwähnte auch, das er von unserem Fund schon gehört hatte. Herr Riefler hatte ihn besucht, der komme manchmal vorbei und klage ihm sein Leid von den Riefler-Fans, die ihm keine Ruhe lassen. Man müsse das verstehen und nachsichtig sein. (Dann sind wir also nachsichtig und vergessen Herrn R. und seine „Groupies". )
Bei der Standortwahl der Uhr solle man vorsichtig sein, denn Präzisionspendeluhren seien extrem erschütterungsempfindlich. Eine Straßenbaustelle in der Nähe des Museums würde das mal wieder zeigen. Auch solle man die Uhr mit höchstens 3,5 Volt Spannung betreiben, um die historische Elektrik nicht zu überfordern.

Zum Schluß suchte ich nach Ansprechpartnern vor Ort in Mainz. Ich hatte dem Nummernregister der zweiten Auflage des Riefler-Buches entnommen, daß nicht nur unsere 711 nach Mainz ausgeliefert wurde, sondern auch schon früher ein Typ A1 mit der Nummer 405. Durch "kriminalistisches Kombinieren" lokalisierte ich die Auslieferung an die Mainzer Sternwarte, betrieben von der Naturhistorischen Gesellschaft in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Ich erfuhr jedoch, daß das gesamte Inventar zusammen mit der Mineraliensammlung im zweiten Weltkrieg ausgelagert wurde. Viele Objekte seien nach dem Krieg nicht mehr aufgetaucht und von einer solchen Uhr hatte noch niemand etwas gehört. Ich sollte aber noch einmal mit Herrn Schnellbecher vom Landesmuseum sprechen, er sei der Metallrestaurator und für die Uhren zuständig, außerdem wisse er gut über die Bestände in den Magazinen Bescheid. Die Frage nach der Riefler 405 verlief auch hier im Sande, die Uhr ist wohl verschollen, dennoch konnte auch Herr Schnellbecher mit einigen Ratschlägen zu unserer Riefler aufwarten. Zum Thema Restaurierungsbericht erklärte er mir, daß dies zum Idealbild einer Restaurierung wohl dazugehöre, jedoch aus Zeitgründen häufig nicht angefertigt werde, da es drängender sei, weitere Objekte vor dem Verfall zu bewahren. So zog auch ein wenig Ernüchterung in mein eben entstandenes Bild idyllischer Restauratorenarbeit ein .

An dieser Stelle möchte ich einige der Ratschläge und Überlegungen aus den Gesprächen mit den Restauratoren anführen:

I. Reinigung der Uhr:

1. Die Uhr nicht zerlegen, nur nachölen. Ausschließlich synthetisches Öl bzw. Fett verwenden.

2. Die Uhr wird zur Reinigung zerlegt. Die Reinigung der Einzelteile darf nicht im Ultraschallbad erfolgen, da sich im Metall schon ab etwa fünf Minuten Gefügeänderungen einstellen können, die einer dauerhaften Konservierungsabsicht entgegenstehen. Auch die Reinigungsflüssigkeiten, die im Ultraschallbad üblicherweise verwendet werden, sind nicht unproblematisch, da sie stark alkalisch wirken und mit Legierungsbestandteilen reagieren können, etwa beim Messing (ELMA 1:9 hat einen hohen Ammoniak-Anteil, bei hoher Dosierung kann man eine Rotfärbung der Messingteile durch das Legierkupfer beobachten). Ölige Rückstände sollten mit Waschbenzin entfernt werden (maßvoll!), die eigentliche Reinigung erfolgt mit Seifenwasser. Eventuell wird der Vorgang wiederholt. Vermeiden sollte man bei der Reinigung die Verwendung von Mitteln, wie Wenol, die zwar einen schnellen Reinigungserfolg ermöglichen, aber aus zwei Gründen abzulehnen sind: Erstens ist Wenol hygroskopisch, das heißt es zieht Wasser an, welches im ungünstigen Fall zu Kontaktkorrosion führen kann, das geschieht gerne an Stellen, wo Platinen oder Gehäuseteile durch Stahlschrauben zusammengefügt wurden. ( Wer kennt nicht die Messingstiluhren, deren Gehäuse vom Hausherrn über Jahrzehnte liebevoll gepflegt wurden. Beim Zerlegen der Gehäuse finden sich prähistorische Schichten Wenol (über Sidol über Wenol) in allen Ritzen der Teile und rostige Schrauben, obwohl die Uhr durchgängig ein Ehrenplätzchen im Wohnzimmer hatte. ) Zweitens könnte durch die leicht abrasiven Mittel die Lackoberfläche beschädigt werden, mit der die Platinen überzogen sind. Es handelt sich bei der Riefler um einen Instrumentenlack auf Schellack-Basis, der nur mit großen Schwierigkeiten wieder originalgetreu hergestellt werden kann. Aus diesem Grunde scheidet auch eine Reinigung der lackierten Teile mit Spiritus aus. Im trockenen,gereinigten Zustand dürfen die Teile nur noch mit Handschuhen angefaßt werden, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen ,die sich in die Oberfläche „fressen".


3. Uhr im zerlegten Zustand reinigen. Reinigung mit Kernseifenwasser mit einem Spritzer ELMA 1:9. Handschuhe verwenden ! Lager mit Benzin auswaschen.

II. Konservierung nach der Reinigung zum Oberflächenschutz:

1. Oberflächen mit säurefreiem Spezialwachs behandeln, insbesondere die rostanfälligen Stahlteile. Empfehlung „Kosmoloid 2000"-Wachs im Vertrieb des Restauratoren-Bedarfs Deffner+Johann. Das Wachs hat keine Säurebestandteile und ist in Benzin löslich. Nach dem Auftragen muß das behandelte Teil einen Tag trocknen. Durch die Verdunstung des Benzinanteils kann die Oberfläche nun leicht matt erscheinen, aber die feine Wachsschicht kann mit einem weichen Lappen poliert werden. Eine zu starke Wachsschicht kann mit Benzin wieder entfernt werden.


2. Konservierung mit Parafin-Wachs, z.B. „Parafin, schüttfähig" der Firma Merck. In Benzin lösen und auftragen, darauf achten, daß das Parafin nicht in den Lagern sitzt. Gewachste Oberflächen sollten nicht zu oft angefaßt werden, damit sich die Wachsschicht nicht abgreift.

3. Oberflächen mit „Pantarol"-Lack versiegeln, bei etwas stärkerer Verdünnung läuft er in jede Ritze. Der Lack wird hart genug, um auch für Bedienelemente geeignet zu sein, die später vielleicht häufiger mit bloßen Händen angefaßt werden. Der Lack ist mit Aceton löslich, was bedeutet, daß es an bestimmten Stellen nicht möglich ist, diesen Lack reversibel einzusetzen, da sich überdeckte Lackschichten, wie Instrumentenlack und Zifferblattlacke, mit ablösen würden.

III. Korrosionsspuren beseitigen:


1. Rost nur mit Nadel und Skalpell entfernen, um die Oberflächen zu schonen und Bearbeitungsspuren der Herstellung zu erhalten. Alles vermeiden, was einen Angriff auf die originale Oberfläche bewirkt, beispielsweise das Überschleifen und Aufpolieren runder Teile in der Drehbank, wie Wellen oder Schraubenköpfe. Das originale Drehbild oder Politurstellen sollten, wenn möglich, bewahrt werden, auch wenn nach der Entrostung Narben auf dem Teil zurückbleiben. Diese gehören halt zur Geschichte der Uhr. Bei sehr feinem Flugrost, der noch nicht weiter ausgebildet ist, kann es besser sein, das Teil mit dem Rostbeginn zu belassen. Statt der mechanischen Entfernung sollte man sich dann mit der Oberflächenkonservierung zu begnügen, die ja verhindert, daß Sauerstoff und Luftfeuchtigkeit auf das Teil wirken können.

2. Rost mit Arkansas-Pulver aus den Narben reiben. Arkansas-Pulver hinterläßt keine Kratzer.

3. Einstimmige Ablehnung chemischer Mittel zur Korrosionsbekämpfung durch die Experten, da die Neben- und Langzeitwirkungen unkalkulierbar sind.

V. Sonstiges:


1. Die Aufarbeitung des Gehäuses muß zum Zifferblatt passen. Keine Überrestaurierung !


2. Vorsicht mit der Schneidenlagerung aus Achat. Eine Beschädigung beim Einhängen des Pendels ist nur schwer zu reparieren.

3. Die Uhr sollte nur mit Netzgerät betrieben werden, da eine gleichmäßige Spannung für die Elektronik schonender ist. Die alte Elektronik sollte für den Betrieb der Uhr genutzt werden. Ein präventiver Austausch gegen neue Teile sollte erst erwogen werden, wenn die alten Teile defekt sind.

4. Ausgetauschte Teile werden verwahrt!

5. Überlegte Standortwahl. Eine ruhige Stelle an einer tragenden Wand. Konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit sollten beachtet werden. Holzgehäuse und Werk haben andere Bedürfnisse in Sachen Luftfeuchtigkeit. Die Hartgummi-Bestandteile am Werk sind UV-empfindlich !


6. Dokumentation mit Detailbildern für zukünftige Reparaturen oder für Rückfragen von Personen mit ähnlichen Projekten (dann muß die Uhr nicht extra ausgebaut werden).

VI. Vorschlag für die Gliederung einer Dokumentation:


1. Rekonstruktion der Historie des Objekts
2. Zustandsbeschreibung
3. Abmessungen, Zahnzahlen, Detailphotos
4. Ziele / Möglichkeiten ( Was soll mit der Uhr geschehen ? Soll die Uhr gehen, ihre ursprüngliche Aufgabe wahrnehmen ? Publikumsverkehr ? )
5. Voruntersuchung ( Wie muß gereinigt werden ? Vorhandene Materialien ? )
6. Aufnahme der Schäden ( Vorgehen bei den einzelnen Schadensbildern festlegen ! )
7. Reinigung / Anfertigung
8. Konservierung
9. Abschlußbemerkungen ( Angaben zur Aufstellung der Uhr, Bedienung, Ge- und Verbote)
10. Bezugsquellen, Kontaktadressen, Literaturhinweise, Vergleichsstücke / Objekte in Auktionen

Arbeiten

Alle Teile werden zusammengetragen und zugeordnet in die Gruppen Hauptuhr, Nebenuhr, Kasten, Wandverankerung und Sonstiges.

Eine Arbeitsmappe wird erstellt .Dazu wird das Riefler-Buch, in Bezug auf unsere Uhr, in Kopien neu zusammengestellt, da es in der vorliegenden Ausführung zwar viele Informationen bietet, aber auf das gesamte Buch verteilt und durcheinander. Die Zusammenstellung wird um einige Zeitschriftenartikel und die originale Riefler-Gebrauchsanweisung erweitert. Die Bestandteile der Uhr werden mit den Abbildungen verglichen. Betreffende Textstellen und Ungereimtheiten angestrichen.

Die Substanz der Uhr kann als gut bezeichnet werden, da wohl die Komplexität der Uhr „Reparateure" vor größeren Eingriffen abgeschreckt hat, nicht jedoch vor deren Neugier. So befindet sich charakteristischer Fingerabdruck-Rost auf allen Werkpfeiler-Schraubenköpfen. Auf den Platinenoberflächen befinden sich Fingerabdrücke. Der Lack auf der Rückplatine ist rissig, das Messing darunter ist angelaufen. Die Kontakt-Justierschraube, die durch das Zifferblatt-Fenster zugänglich ist, wurde wohl solange nachgestellt, bis sie aus dem Kontaktarm herausgedreht war und verloren ging. Die zugänglichen Lager haben durch wiederholtes Nachölen bernsteinartige Ablagerungen. Die Minutenradlager sind als einzige nicht in Steinausführung, sondern in die Messingplatinen eingebohrt. Diese Lager sind im Laufe der Jahre entsprechend stark eingelaufen. Die Zifferblatt-Schrauben haben jemandem in der Vergangenheit große Probleme bereitet ( Rechtsgewinde ? Linksgewinde ? Schräg reindrehen ? ). Am Ende ließen sich die Schrauben wohl nicht mehr ganz einschrauben und wurden wild gekürzt. Jetzt weisen die vier Schrauben unterschiedliche Längen auf, die Schraubenköpfe sehen entsprechend aus. Am Arm des Sekundenkontaktes fehlte eine Verbindung, die zugleich eine elektrische Leitung war. Ein Drahtrest steckte noch in der Verschraubung. In der Literatur konnte das Teil nicht ermittelt werden. Später konnten wir mit Hilfe von Herrn Ellinger feststellen, daß es sich um eine feine Messingfeder gehandelt haben soll. Das Invarpendel war naß abgewischt worden und hatte Wasserflecken. Die gebläuten Zeiger zeigten einen leichten Anflug von Rost. Die Nebenuhr hatte das Glück, daß in frühen Jahren eine Selen-Diode kaputt ging. Gut, daß Uhrmacher keine Elektriker sind, denn so wurde die Uhr für kaputt erklärt und weggepackt, was eine fast makellose Erhaltung zur Folge hatte. Eine besonders ärgerliche Beschädigung wies jedoch das Viertelrohr mit dem Halbmond zum Auswuchten des Minutenzeigers auf. Dieses Teil sitzt auf der Minutenradwelle, trägt den Minutenzeiger und ist seinerseits das erste Rad des Zeigerwerks. Läuft die Uhr, so dreht sich die Minutenradwelle und schleppt das Zeigerwerk mit, verstellt man hingegen die Zeiger, so muß sich das Viertelrohr auf der Minutenradwelle so leicht drehen, daß beim Zeigerstellen der Gang der Uhr durch die zusätzliche Krafteinwirkung nicht zu sehr gestört wird. Beim Viertelrohr der Riefler-Uhr befindet sich eine Schraube, die in Richtung Minutenradwelle gedreht, die Reibung zwischen beiden Teilen vergrößert. Die Zeigerreibung ist also justierbar. In der Vergangenheit hatte jedoch ein Uhrmacher diese Schraube übersehen. Die „Feineinstellung" der Zeigerreibung erfolgte im Stil der Reparatur einer Kuckucksuhr: „Zusammentreiben" mit Hammer und Punzen. Somit bekam das Viertelrohr zum großen Messinghalbmond noch einige kleine "Halbmonde" mit dem Punzen verpaßt.

Frisch auf ans Werk, machten wir uns an die Demontage der Pendelaufhängung inklusive der Antriebshebel. Das bedeutet die Abtrennung der empfindlichsten Teile der Uhr. Hierbei stellten wir fest, daß die Stahlschneiden des Pendelträgers kleine Macken hatten, während sich die Achatauflagen makellos präsentierten. Die danebenliegenden Körnerschrauben wackelten ein wenig, was darauf schließen läßt, daß das Pendel öfters im abgehobenen Zustand in den Körnerschrauben pendelte. An diesem Punkt führten „Kommunikations-Störungen" zwischen mir und meinem Kollegen dazu, daß die gesamte Pendelauflage für einen längeren Zeitraum im Ultraschallbad landete, wodurch der Instrumentenlack auf diesem Teil abgelöst wurde. Die Schneiden wurden in diesem Zusammenhang freihändig nachgeschliffen, um anschließend, noch im Messingträger montiert, ebenfalls im Schall zu landen. Die Folge: Schneidenschliff schief, leichte Rostspur durch Wassertropfen, die nach dem Bad zwischen Stahl und Messing verblieben waren, sowie Wassertropfen-Ränder, die auf allen Teilen eingetrocknet waren. Dieser Vorgang löste bei mir eine Telephonaktion aus, bei der ich mir von Expertenseite Rat holte, um meiner Vorstellung von einem schonenden Vorgehen, anstelle einer schnellen Reparatur, den Rücken zu stärken. Nachdem auch mit Frau Sebastian geklärt war, daß dem restauratorischen Anspruch gegenüber dem uhrmacherischen Vorgehen, der Vorzug zu geben sei, gingen wir mit der gebotenen Vorsicht vor.

Wir bestellten uns zunächst das Kosmoloid-Wachs mit dem entsprechenden Benzin-Lösemittel und dem zugehörigen Sicherheitsdatenblatt. Im Anschuß machten wir uns an die Zerlegung der Uhr nach Baugruppen. Zunächst stand die Demontage der Elektrik an, was keinerlei Schwierigkeiten bereitete. Die Einfallklinke des elektrischen Aufzuges war schwergängig und leicht rostig. Mit Öl lösten wir die Rostansammlung/Verschmutzung, und spülten sie aus. Auch die Eisenteile am Magneten haben deutlichen Rost an der Oberfläche. An der Verbindungsstelle beider Spulen schien eine Überhitzung stattgefunden zu haben, da sich dort die grüne Seidenumwicklung entfärbt hatte.


Werkstatt-Impressionen

Nach dem Durchmessen der Elektrik stellte sich jedoch heraus, daß alle Teile der Hauptuhr-Elektrik noch voll intakt waren, da wohl alle Teile mit überdimensionierten Leistungsreserven konzipiert sind. Die Hartgummi-Isolationsringe an den Wellen präsentierten sich in rissigem Zustand. Von einer weiteren Behandlung der Hartgummi-Teile sahen wir ab, da sie noch ihre Funktion erfüllten. Wir hatten jedoch für kurze Zeit ein Wunderrezept zur "Gummiregenerierung" in Betracht gezogen, wonach man Glyzerin mit Talkum-Puder zu einem Brei vermischt und auf die betroffenen Teile aufträgt. Das Glyzerin soll in das Gummi eindringen und im Material "wirken", während ein Talkum-Schutzfilm auf der Oberfläche verbleibt. Die Vorstellung von der Wirkungsweise kam uns merkwürdig vor ( kleine Glyzerine, die zwischen die Gummimoleküle kriechen und diese zusammenstricken ?). Nein, so verzweifelt waren wir doch nicht ! Ein Aufweichen der Hartgummi-Teile mußte auch ausgeschlossen sein, da einigen sogar Gewinde zur Platinenmontage aufgeschnitten waren.

Für die Reinigung des Rädersatzes setzten wir mit parfümfreier Arztseife eine Seifenlauge an. Diese Rezeptur griff jedoch die Stahloberflächen an, die nach der Behandlung fleckig waren. Ob es an der falschen Konzentration lag, haben wir nicht herausgefunden, da wir auf auf Spüli-Wasser umgestiegen sind, womit es keine Probleme mehr gab. Die Stahlteile wurden mit der Lederfeile und "Unipol blau" (Block) von den Flecken befreit. Der Schatten auf der Lauffläche des Hemmradzapfens wurde ebenso entfernt, wobei der Materialabtrag mit dem Feintaster nicht meßbar war. Nach der Reinigung mit Benzin und Spüli-Wasser kamen alle Teile sofort auf den vorgeheizten Trockner, verbliebene Tropfen wurden mit dem Staubbläser abgeblasen, denn wir wollten uns ein Rost-Debakel wie bei der oben erwähnten Schneiden-Lagerung ersparen.

Die Lager der Uhr befreiten wir vorsichtig von ihren Ölkrusten, indem wir mit einer Diabetiker-Spritze punktuell Benzin auf die Lagersteine aufbrachten und mit dem Putzholz die Ölpaste entfernten. Das war sehr mühselig, aber schließlich waren die Saphire wieder transparent und sauber, ohne daß die Platine Schaden genommen hatte. Die Minutenradlager machten aber mehr Ärger, da sie deutlich ausgelaufen waren. Hier gab es keine minimal-invasive Lösung, wenn die Uhr wieder laufen sollte. Es stellt sich bei einem solchen Schadensbild die Frage, ob das Lager "zugepunzt" oder ausgebuchst wird. Da wir bei unseren Reparaturen generell lieber eine neue Lagerbuchse aus haltbarer Lagerbronze einsetzen, als mit einem Punzen die Platine "zusammenzudreschen", war die Entscheidung fast schon gefallen. Bei den Rieflerplatinen von vier Millimeter Stärke hätte das Punzen keinen großen Sinn gemacht, denn wie sich später herausstellte waren die Messingplatinen butterweich (Nachkriegszeit ?) und hätten nach dem Punzen ausgesehen, als ob ein zorniger Specht darüber hergefallen wäre. Ergo setzten wir Lagerbuchsen ein, wobei wir für diese wie gewohnt Lagerbronze verwendeten und keine aus Messing, dem Platinenmaterial, in Betracht zogen. Das Einsetzen einer Buchse ist ein Eingriff in die Originalsubstanz und kann dann auch gleich mit der hochwertigeren Alternative ausgeführt werden, zumal die Buchsen in den tiefen Ölsenkungen der Platine nicht erkennbar sind, sondern deren Profil genau angepaßt wurden.

Die Entfernung von Rost führten wir mit Nadeln und feinsten Klingen aus, um wirklich nur den Rost und nicht die Bearbeitungsspuren, wie das original Drehbild, zu entfernen. Bei dieser Sklavenarbeit erfüllte so mancher Fluch unsere kleine Werkstatt, aber das Ergebnis überzeugte uns dann doch. Auch das Säubern der Rostnarben mit Arkansas-Pulver funktionierte tadellos. Einige der Stahlteile an Hebeln wirkten merkwürdig fleckig und unschön von der Oberflächenverarbeitung. Es zeigte sich, daß einige der Stahlhebel vernickelt oder verchromt waren, wie man es auch mit der Pendellinse gemacht hat. Die Beschichtung der Hebel ist aber wesentlich dünner, als die der Pendelinse, sodaß die merkwürdige Oberfläche zustande kommt. Wie so vieles an dieser Uhr, ist auch das ein eher unuhrmacherisches Detail. Die Zeiger wurden belassen, wie sie waren, da die Rostentfernung mehr zerstört als bewahrt hätte. Sie wurden komplett mit dem Spezialwachs überzogen.

Zu der Konservierung der Oberflächen mit dem Wachs kann man sagen, daß es auf Anhieb gut funktionierte. Was wir jedoch erst lernen mußten, war das Dosierverhältnis von Wachs und Benzinlösemittel. Am Telephon erklärte man mir, daß es für das Wachs ein spezielles Benzin mit Namen Shellsol gäbe, welches wir unbedingt mitbestellen sollten. Da der Mindestbestellwert bei 50 Mark lag, bestellte ich zwei Päckchen Wachs und einmal das Lösemittel. Die Überraschung kam beim Öffnen der Paketsendung, wo jedes der bestellten Päckchen ein Kilo Wachs enthielt, welches in einen Staniol-Napf von der Größe einer Familienpackung Eis vergossen war. Dazu eine Blechflasche mit Shellsol, die bei weitem nicht ausreicht um all das Wachs zu lösen. Nach einem erneuten Anruf bei de Firma Deffner und Johann wurden wir aufgeklärt, daß die Flasche für etwa 50 Gramm ausreicht. Also versetzten wir in einem alten Marmeladenglas einen Schluck aus der Flasche mit einigen Wachssplittern, die wir vom Block brachen. Zur besseren Löslichkeit erwärmten wir das Glas und bekamen eine gesättigte Wachslösung, die für einige Riefleruhren gereicht hätte. Mit dem übrig gebliebenen Wachs können wir ja bei Gelegenheit die Mainzer Straßenbahn konservieren ! Wir haben das Wachs mit dem Pinsel auf den Oberflächen aufgetragen und mit dem Staubbläser in sämtliche Ritzen und Zwischenräume getrieben. Der Wachsüberzug ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen und sehr zu empfehlen. Bis auf das Pendel wurde die komplette Uhr, sowie die Nebenuhr einschließlich der Zifferblätter mit dem Wachs überzogen.

Die Wasserflecken auf dem Pendel und der restliche Schmutzfilm, der sich dort abgelagert hatte, verschwanden rückstandsfrei nach einer Behandlung mit Spirituswasser. Die Justierschraube für den Kontakt des elektrischen Aufzuges ergänzten wir durch eine normale Schlitzschraube anstelle der Vierkantschraube. Jetzt muß zum Einstellen das Zifferblatt abgenommen werden, wodurch verhindert werden soll, daß die Schraube in Unachtsamkeit verstellt wird und wieder verloren geht. Das Federchen des Sekundenkontaktes, welches fehlte, ergänzten wir mit einem feinen, weichen Draht, da alle Versuche, eine Messingspiralfeder zu wickeln, Funktionsstörungen nach sich zogen und an dieser Stelle kein Rückhol-Effekt einer Feder nötig ist, sondern lediglich ein elektrischer Kontakt. Wir haben uns dazu entschlossen, die Uhr mit der Original-Elektrik zu betreiben und diese nicht präventiv zu ersetzen. Da die Uhr mittels Netzteil betrieben wird, verbleiben der baugleiche Kondensator und die Spule der Rheostat-Regelung (Schiebewiederstand zur Regelung der Batteriespannung) im Uhrenkasten als eiserne Bauteilreserve.

Der Zusammenbau der Uhr verlief problemlos. Lediglich das Einstellen des Abfalles (gleichmäßiges Tick-Tack) war in Anbetracht der mannigfachen Verstellmöglichkeiten der Uhr etwas kitzlig, konnte jedoch gemeistert werden ! Für Hinweise für die Aufstellung und Montage war uns auch die Bedienungsanleitung der Riefler eine Hilfe.

Als besondere Entdeckungen im Umgang mit unserer Riefler-Uhr kann man den an die Rückplatine geschraubten Messingwinkel erwähnen. Wir diskutierten, ob man das Teil bei der Zerlegung der Uhr demontieren oder an Ort und Stelle belassen sollte. Für die Demontage sprach nur, daß das Teil keine erkennbare mechanische Funktion aufwies, dagegen sprach, daß neben der Halteschraube mehrere Justierschrauben an dem Winkel verbaut waren. Schließlich stellte sich heraus, daß der Winkel planparallel zu den Achatscheiben der Pendelauflage angebracht war. Er dient zur Aufnahme einer Libelle (Wasserwaage) zum geraden Ausrichten des Uhrwerkes an der Wand. An diesem "Blinddarm" zu schrauben, kann also eine Menge Ärger bringen.

Eine weitere Entdeckung ergab sich aus dem Riefler-Buch, wo erwähnt wird, daß etwa ab 1958 eine Konstruktionsänderung an den Triebhebeln vorgenommen wurde. Die einfachen Triebhebel mit den einseitig aufgehängten Paletten wurden für einen konstanteren Gang durch sogenannte Doppeltriebhebel ersetzt, bei denen die Palette durch doppelseitige Fixierung einen besseren Halt bekommen sollte. Unsere Uhr weist dieses Merkmal jedoch auch auf, obwohl sie aus dem Jahr 1947 stammt und ein späterer Umbau durch die Nummerngleichheit aller Teile ausgeschlossen werden kann. Sollte dies ein Fehler im Buch sein oder war dieses Detail aus einer Art Vorserie (bei 635 insgesamt gebauten Uhren, davon 106 A3-Typen) ?

Egal wie weit man die Riefler-Uhr zerlegt, man verliert niemals den Respekt vor ihrer Konstruktion und Ausführung und kann sich immer wieder neu in ihre Details verlieben.

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