Restauration einer Siemens Schatulle H42

1. Allgemeiner Zustand

Die Restauration der Schatulle war für uns im Nachhinein eine sehr problemlose Sache. Obwohl sie eigentlich in einem stark verschmutzten Zustand auf unsere Werkbank kam, mit starker Beeinträchtigung der Oberflächen und vielen Wasserschäden am Gehäusesockel, konnte mit relativ geringem Aufwand eine sehr ordentliche Restauration durchgeführt werden.

Auf den ersten Blick waren dabei die völlig geschwärzten Bespannstoffe an den Türen und Lautsprechern besonders unangenehm, die ja gerade bei diesem Radio im Vordergrund stehen und damit dem Betrachter sofort ins Auge springen, sowie die Wasserschäden, die die Politur absplittern ließ.

Im Inneren eröffnete sich dem Betrachter unendlich viel feinster Staub, so daß wir vermuten, ein ehemaliges Werkstattradio gekauft zu haben. Die Elektronik war nach Angaben des Verkäufers unverbastelt, was natürlich so nicht stimmte. Die gemachten Eingriffe ließen dabei mehr auf einen "örtlichen Künstler", als auf einen Radiotechniker mit Sachverstand schließen.

Gerade am Anfang läßt man sich leider schnell dazu hinreißen, manch einem Verkäufer die Aussage "unverbastelt" zu glauben, aber mit der Zeit merkt man, daß dies in aller Regel selten zutrifft. Wenn ein Radiogerät ein gewisses Alter überschritten hat, wurde es über mehrere Generationen weitergereicht, wobei jeder Besitzer wollte, daß es irgendwie funktioniert. Da ist es ganz selbstverständlich, daß manch einer Hand an sein Radio angelegt und es "verbastelt" hat. Dabei zeigt sich ein solches "Bastelwerk" durch ein planloses Stillegen von Funktionen durch Abknipsen von Bauteilen oder durch Ersetzen defekter Teile durch unpassende aus der Krusch-Kiste.

Also immer erst REINSCHAUEN, dann über den Preis verhandeln und evtl. kaufen!

Mit etwas gedämpfter Euphorie machten wir uns an die Restauration des Radios, die sich dann als gar nicht so aufwendig herausstellte.

2. Restauration des Gehäuses

Das Gehäuse gab nach dem Zerlegen und Auskernen des Chassis sein innerstes Preis: Staub und nochmals Staub...

Mit Hilfe von 1500 Watt Staubsaugerleistung und einer Vielzahl an Bürsten konnte dieser entfernt werden.

Die Oberfläche war, wie oben beschrieben, etwas mitgenommen und es waren noch ein paar Farbreste und Aufkleberreste (was für eine Unsitte!) auf dem Gehäuse. Mit einem Schwamm und ein wenig Spüliwasser konnten diese aber entfernt werden.

Mit Hilfe von aufgesprühtem Spiritus wurde nun die Oberfläche vollständig gereinigt und wieder in leichten Glanz versetzt. Bei manchen Polituren löst der Spiritus die Oberfläche gerade so leicht an, so daß diese mühelos aufpoliert werden kann. Aber Vorsicht: Eine evtl. Schellackpolitur ist nach einer solchen Behandlung hin, also immer vorher prüfen!

Jetzt waren nur die kleinen Dellen mit Korrekturwachsstiften (www.clou.de) auszufüllen und mit einer Messerklinge zu verputzen.

Schatulle vor allen Eingriffen und Maßnahmen. (Die Oberflächenschäden sind hier leider kaum zu erkennen.)

Da wir uns für die Erhaltung der Oberfläche entschieden haben, mußte wir also zusehen, die bröseligen Politurreste am Sockel zu festigen und die Kratzer zu "tarnen". Hier behalfen wir uns des Tricks, mit verdünnter Streich-Schellackpolitur das Gehäuse zu bepinseln. Diese fließt in alle Ritzen und festigt die Oberfläche, färbt die typischen grauen Stellen und beseitigt größtenteils kleine Risse in der Politur. Mit diesem kleinen Trick kann man verblüffende Wirkungen erzielen, die bei weitem nicht so tiefgreifend sind, wie eine komplette Neupolitur.

Diese Auffrischung der Politur konnte danach mit einem Polierballen aufpoliert werden.

Die stark verschmutzten Lautsprecherstoffe wurden mit einer sehr unorthodoxen Methode gereinigt. Hier kam uns die Verklebung der Stoffe mit einem wasserunlöslichen Hartkleber auf dem Holz sehr zugute, so daß wir hier mit Wasser und normalem Waschmittel (!) bedenkenlos arbeiten konnten. Das sollte aber in der Regel nicht bei anderen Radios versucht werden, da die Stoffe sehr empfindlich sind und oft nur mit einer Art Leim aufgeklebt wurden, der sich dann auflöst.
Für unsere Behandlung wurden nun die Türchen auf ein Handtuch gelegt und mit konzentrierter Waschmittellauge eingesprüht. Kurz einwirken lassen und mit einem weichen Pinsel verreiben. Das alles mit kaltem, klarem Wasser abspülen und mit einem weiteren Handtuch trocken tupfen. Dieses Verfahren haben wir jeweils zweimal wiederholen müssen, um den Schmutz zu entfernen. Nach dem vollständigen Trocknen hatte sich auch der Stoff wieder richtig gespannt. Mit der Lautsprecherbespannung verfuhren wir in gleicher Weise.

Die Knöpfe und Messingteile wurde wiederum mit Glasfaserradierer, Polierpaste und dem bewährtem Urethanlack zur Metallkonservierung aufgearbeitet und versiegelt.

3. Restauration der Elektronik

Die Elektronik konnte widererwarten mit wenigen Arbeiten wieder instand gesetzt werden.
Zuerst stand wieder eine Totalreinigung mit einem Ausbläser, feinen Pinseln (Drehkondensator) und etwas Waschbenzin für das Chassis an.

Danach konnten wir uns den Kondensatoren widmen, die natürlich wieder fast alle getauscht werden mußten. Lediglich der Siebelko für die Anodenspannung war glücklicherweise intakt. Nach dem Wechsel der Kondensatoren, dem obligatorischen Reinigen der Kontakte des Bereichsschalters und der Beseitigung der "Bastelstellen", konnte das Chassis am Trenntrafo in Betrieb genommen werden.

Hier zeigte sich, daß der UKW-Oszillator nicht einschwang und einer genaueren Betrachtung bedurfte. Die ZF-Kreise mußten ebenfalls nachgestellt werden, da diese völlig aus Ihren Resonanzpunkten gelaufen waren. Der magische Fächer (EM80) wurde allerdings noch nicht getauscht, da dieser noch etwa 30% Leuchtkraft besitzt. Die Endröhre EL81 wurde vorerst auch noch im Gerät gelassen.
Nach einem Abgleich hat das Radio einen wunderbaren UKW-Empfang mit beeindruckender Empfindlichkeit. Selbst mit der internen Antenne (einfaches Stückchen Kabel im Inneren des Gehäuses) konnten viele "UKW-Fernsender" empfangen werden, die ich selbst mit meinem Weltempfänger Sony ICF-7600 nicht besser empfangen konnte!

4. Fazit

Die Schatulle war für uns anfangs eine Herausforderung, relativierte sich aber schnell zu einem Radio mit ordentlicher Subtanz und Gehäusequalität. Die reine Arbeitszeit belief sich auf etwa 15h und ist damit deutlich unter dem, was wir vorerst veranschlagt hatten. Als kleinen Wermutstropfen muß man leider die weniger hohe Qualität der Elektronik nennen. Eine eher unspektakuläre Schaltung und eine mäßige Verarbeitung (viel Kleber zur Fixierung der Bauteile, geringe Qualität des Audioübertragers etc.) wirken dabei nicht so edel, wie das Gehäuse drumherum verspricht. Entschädigt wird dies mit einem sehr gutem Empfang und einem wirklich originellen und einzigartigen Gehäuse. Schon deshalb sollte eine Schatulle in keiner Sammlung fehlen!

Die fertige Schatulle ist ein echtes Schmuckkästchen geworden

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