Restauration einer Telefunken Operette 8

1. Allgemeiner Zustand

Operette 8 vor der RestaurationDa es sich hier um eine echte Totalruine handelte, bei der ein Vorbesitzer Batteriesäure über das Radio hat laufen lassen, stellte sich die Frage nach einer behutsamen Restauration von vorneherein nicht mehr. Hier mußte also komplett saniert und rekonstruiert werden. Einige Teile waren nach der Demontage nicht mehr zu gebrauchen, da sie durch Korrosion völlig zerfressen waren. Das Holzgehäuse war von der Säure derart stark zerstört, daß das Sperrholz schichtenweise lose war und auch stellenweise fehlte. Die Oberfläche war zusätzlich durch blaue Farbe, tiefe Kratzer und Dellen beeinträchtigt.

Hier mußten wir also von unserer eher konservierenden Arbeitsweise abrücken und neu aufbauen.

2. Rekonstruktion des Gehäuses

Das leergeräumte GehäuseNach dem vollständigen 'Strippen' des Gehäuses, also dem Demontieren der Innereinen, sowie der äußeren Messingteile, konnte der filzige Staub und der Dreck der Jahre mit einem Staubsauger und Bürsten entfernt werden. Zwei der Einstellknöpfe mußten, aufgrund der starken Korrosion, vom Lautstärkepoti abgesägt werden. Alle Versuche diese Brutalmaßnahme zu umgehen, schlugen leider fehl, so daß mit einem einzelnen Metallsägeblatt die Potiachse an der Frontscheibe entlang getrennt wurde. Die Reste der völlig korrodierten Achse wurden dann mit Drehbank und Bohrmaschine entfernt.

Seitenansicht vor der BehandlungDa einige Stellen des Gehäuses völlig durch die Säure zerstört waren, wurden ersteinmal mit einem scharfen Messer die säurehaltigen und losen Holzreste großzügig entfernt. Danach festigten wir die Struktur des Sperrholzes bzw. der Grundplatte aus Preßstoff an den Schadstellen mit extrem dünnflüssigen Sekundenkleber. Dieser Kleber läuft durch die Kapillarkräfte des Holzes in jede Ritze und festigt somit loses und zerfasertes Holz. Leider liegen zu diesen Klebern noch keine Langzeiterkenntnisse vor, so daß dieser eigentlich nur mit Vorsicht einzusetzen ist, da sie sich nach Jahren evtl. zersetzen könnten.

zerstörte Ecke

Nach diesen Arbeiten mußte die alte Farbe runter. Dies geschah mit chem. Abbeizer, der auch diese Lasur auflösen konnte. Dieser Abbeizer ist aber immer vor dem Auftragen an einer nicht sichtbaren Stelle auf Holzverträglichkeit zu prüfen.

Mit Ziehklinge und Deltaschleifer (sehr gut für Rundungen!) wurde nun der alte Lack vollends entfernt und schonmal vorgeschliffen. Die Schadstellen wurden großzügig mit 'flüssigem Holz' (z.B. der Firma Clouthe, Offenbach, www.clou.de) ausgefüllt und sauber verschliffen.

Nach dem Grobschliff mit 80er Schleifpapier konnte nun mit Nitrospachtel (keine Malerspachtel, da nicht hochwertig genug!) und einer Japanklinge die Oberfläche glatt abgezogen werden. Ein Zwischenschliff (240er Papier) mit nachträglichem Spachteln brachte dann die gewünschte Glätte der Oberfläche. Schon jetzt waren die Fehlstellen nicht mehr zu sehen.

Jetzt wurde das Gehäuse mit schwarzer Farbe lackiert. Dies kann entweder in einer Lackiererei, per Hand mit der Sprühdose oder mit einem Pinsel gemacht werden. Wir haben uns für letzteres entschieden, da mit Sprühdosen durch die statische Aufladung der Oberfläche immer eine wesentlich staubempfindlichere Oberfläche entsteht, hingegen bei Pinsel oder Rolle nicht.während des lackierens

Der Auftrag besteht aus einer Grundierschicht und 5 Lackschichten. Jede Zwischenschicht wurde mit 400er, 600er und 1200er Schleifpapier aufsteigend naß zwischengeschliffen.

Nach Trocknung war das Gehäuse nahezu perfekt und keinerlei Schäden mehr zu erkennen.

Jetzt konnten die völlig von Grünspan zerfressenen Messingleisten, die Knöpfe und das Telefunken-Typenschild gereinigt werden. Dies geschah mit Drahtwolle (Stärke '00'), 600er Schleifpapier, Glasfaserradierer und Polierpaste.

Nach Reinigung, Ausschleifen des 'Fraßes' sowie Aufpolieren der Oberfläche konnte alles mit Urethanlack aus der Elektronik-Platinenherstellung versiegelt werden. Dieser Lack hat sehr guten Korrosionschutz und konserviert Metalloberflächen dauerhaft. Alternativ kann dies mit Pantarol-Lack geschehen, der von professionellen Restauratoren eingesetzt wird.

Der Lautsprecherstoff wurde aufgrund des relativ guten optischen Zustands lieber völlig in Ruhe gelassen. Hier hatte die Säure glücklicherweise keine sichtbaren Schäden hinterlassen, so daß keinerlei weitere Maßnahmen nötig waren. Feuchtigkeit auf säuregetränkten Grund hätte den Stoff beim Reinigen aufgelöst.

Nach vorsichtigem Einbau und Befestigen der Zierleisten und des Telefunkenschildes war das Gehäuse fertig.

3. Restauration der Elektronik

Nach der gründlichen Reinigung war die Elektronik vom Dreck freigelegt und wir konnten uns ein Bild von den technischen Schäden machen.

Hier mußte aber zum Glück, bis auf ein korrodiertes und zersägtes (siehe oben) Potentiometer und die Peilantennen-Verstellung nichts neu angefertigt werden. Die Peilantennen-Verstellung konnte aus Messing mit der Drehbank auf das neue Potentiometer angepaßt werden.

Nach dem Spannen neuer Skalenseile, der Reinigung der Frontplatte und dem Fetten der bewegten Teile mit Fließfett, konnten wir uns den Kondensatoren widmen.

Da wir bei unseren Radios die volle, ursprüngliche Empfangsleistung und damit Funktion wollen, messen wir alle Kondensatoren durch und tauschen diese sofort bei falschen Werten gegen neue und hochwertige Typen aus. Bei besonders alten und historisch wertvollen Radios können die ursprünglichen Kondensatoren u.U. als Hülle für die neuen, oft sehr bunten Typen dienen. Dabei sind die alten Reste herauszulösen und die neuen mit Wachs oder Epoxyd zu fixieren. Wir sehen aber generell von solchen Maßnahmen ab, sofern die Kondensatoren sich unterhalb des Chassis befinden und nicht dem direkten Blicken ausgesetzt sind.

Gerade die alten Papierkondensatoren mit Teer- oder Hartwachsversiegelung sind der Erfahrung nach entweder alle defekt oder alle noch in der Toleranz und damit in Ordnung.

Die Elektrolytkondensatoren sind in der Regel auch in Ordnung, aber eine Messung zeigt Schwächen sofort. Diese Messung spart einem sogar oft bares Geld, da die Hochvolt-Elkos doch recht teuer sind. Von Regeneriermaßnahmen mit Gleichspannungensquellen oder durch magische Beschwörungsformeln sehen wir grundsätzlich ab, da diese Kondensatoren nicht mehr zuverlässig sind.

Für passende und hochwertige Ersatztypen verweisen wir auf unsere Ersatzteilseite, auf der wir die interessanten Ersatzteil-Zulieferer aufführen.

Natürlich mußten in diesem Gerät alle Kondensatoren gewechselt werden, da offensichtlich jeder Kondensatorwert etwa das 10 bis 50fache über dem Sollwert lag. Diese Drift ist hauptsächlich auf feuchte Lagerung des Radios zurückzuführen. Dabei saugt sich das verwendete Papierdielektrikum mit Wasser voll und erhöht seinen Kondensatorwert dadurch drastisch. Zusätzlich verändert sich der reale Gleichspannungswiderstand (tangens(delta)) derart, daß der Kondensator keine Gleichspannung mehr abblocken kann.

Nach dem Austausch der zwei Skalenlampen und dem Test der Röhren (Glühwendel) konnte das Radio jetzt das erste Mal über einen Trenntrafo mit Strombegrenzer in Betrieb genommen werden... Und siehe da, im UKW-Bereich empfing es schon einige Sender!

Unter Zuhilfenahme des Schaltplanes wurden die Meßpunkte auf ihre Spannungen untersucht um ggf. defekte Röhren zu tauschen. Die Demodulatorröhre EABC 80 und die Mischerröhre ECH81 (< 20% ! ) hatten leider zu geringe Emission und wurde gegen neue getauscht, ebenfalls die EM 80 (magischer Fächer), die relativ schwach leuchtete.

Ferner wurden die Kontakte der Bereichsschalter mit einem Glasfaser-Radierer vom Oxid befreit, so daß die Oszillatorstufen der LMK-Bereiche auch wieder anschwingen konnten.

Die ausgebauten Lautsprecher wurden ebenfalls gereinigt und wieder ins Gehäuse eingebaut.

Nach dem Filter- und Oszillatorsabgleich spielte das Radio auf allen Bereichen wieder sehr gut und konnte mit gereinigten Knöpfen und der sauberer Frontplatte wieder ins Gehäuse gesetzt werden.

Einige ausgewählte Photos nach der Restauration :


4. Fazit

Nach dieser Radikalkur, die sich über etwa 4-Wochen mit einem Arbeitsaufwand von ca. 35h gezogen hat, konnte das völlig verstümmelte Radio wieder zu neuem Glanz gebracht werden. Diese Arbeit stand natürlich in keiner Relation zu dem späteren Wert dieses Radios, sollte aber mal aufzeigen, wie man mit relativ normalen Mitteln eine Ruine rekonstruieren kann.

Natürlich entbehren diese Arbeiten jeder Originalität, waren aber unbedingt nötig und entschädigen den Radiofreund mit einem erstklassigen Gesamtbild.

Wir selbst sind so begeistert von der 'neuen, alten Operette', daß wir sie in täglicher Benutzung haben und uns stets daran erfreuen.

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